70 Jahre Kommunist – und immer mit offenem Visier: Rolf Pflanz, Jahrgang 1925


Mit Rolf Pflanz durch die Solinger Innenstadt zu gehen, ist eine wahre Freude. „Du kennst ja fast jeden“, so sage ich unweigerlich, immer wieder von neuem erstaunt darüber, wie viele er grüßt, ihn grüßen, ein paar Worte wechseln. Es sind Bekannte aus Betrieben, in denen Rolf gearbeitet hat, ehemalige Gewerkschaftler, Freunde und Nachbarn. Besonders die Nachbarschaft pflegte und pflegt Rolf schon die ganzen 44 Jahre, die er nun schon in der Thüringer Straße 26 in Meigen wohnt. Kein Wunder , dass bei seinem 90sten Geburtstag die stattliche Anzahl von 45 Menschen, vor allem Nachbarn oder ehemalige Nachbarn zur Gratulation gekommen waren. Und alle wissen, dass Rolf nicht nur ebenso einer ist, nein, er ist Kommunist. Und sagt das auch immer und es gelingt ihm wunderbar, in Gesprächen immer wieder auf das Politische hinzulenken. Überall hat er Anknüpfungspunkte: Bei dem Alltäglichen der Menschen, den Mieten, beim Thema Öffentliche Verkehrsmittel, Zustände mit den Schulen und Straßen, die Arbeitsplätze, die Angst der Beschäftigten, wie’s den Arbeitslosen geht, die Verrohung der Gesellschaft, die Nazis, die unheilvolle Bedrohung des Friedens. Auch die CDU-Frau, die in Auftrag der Bezirksvertretung ihn zum Geburtstag gratuliert, gerät so mit ihm in eine muntere Diskussion über das Bildungswesen in der DDR. Ja, phänomenal, wirklich.

Nun hat Rolf in Jahr 2016 ein besonderes Jubiläum: Er ist 70 Jahr in der Kommunistischen Bewegung. 70 Jahr Kommunist. Aus diesem Anlass wollen wir sein Leben etwas beleuchten und ihn dazu zu Wort kommen lassen: „Ja, ich wurde noch eingezogen. Zur Marine. 2 Jahre, dann war Feierabend. Die Amis haben mich eingefangen, dann zu den Engländern „überstellt“. Das war Kriegsgefangenschaft. Aber nicht lange, dann bin ich abgehauen. Das kam so: Wir wurden in Bergen-Belsen eingesetzt das KZ-Gelände vollends zu räumen. Nebenan in der Kaserne waren ehemalige polnische Zwangsarbeiter untergebracht. Die waren auf uns Deutsche nicht gut zu sprechen. Verständlich. Es kam zu Spannungen, auch Tätlichkeiten. Da gaben uns die Engländer Gewehre. So könnten wir uns verteidigen, sagten sie. Ich entgegnete: Nein, so lange ich lebe, richte ich niemals mehr ein Gewehr auf jemanden, den ich nicht kenne. Außerdem, so dachte ich damals schon, das sind doch die einfach Leute wie ich es auch bin. Schießen, nein! Dann wurde mir klar, hier musst du verschwinden.

In der Heimatstadt Solingen dann angekommen, fand ich Arbeit bei der Firma Schlemper. Aber das ging nicht lange gut. Eines Tages wurde ich abgeholt. Ich hätte mich unerlaubt von meiner Dienstgruppeneinheit entfernt, wurde mir vorgehalten. 4 Wochen Gefängnis war das Resultat. Übrigens kannte ich den Kriminaler, der mich holte: Er war schon in der Nazizeit Kriminaler. Bei Schlemper konnte ich weiterarbeiten. Dann hatten sie keine Aufträge mehr. Wieder Feierabend.

Dann kam das Jahr 1946. Mein Eintritt in die KPD. Da war mein Wunsch, den ich mit vielen teilte: Endlich leben, das Jungsein ausleben, das ja in der Nazizeit und im Krieg gar nicht möglich war. In meinem Kopf hatte ich schon Vorstellungen eines neuen Deutschlands, ein Land des Friedens, eben ein anderes, ein demokratisches Deutschland. Das vermittelten mir meine Genossen damals. Die KPD war stark. Allein am Grünewald hatten wir 45 Mitglieder.

Ich wurde Bezirksjugendleiter der IG Metall Bezirk Hagen. Da gehörten wir damals dazu. Meine erste derartige Aufgabe. Aber wir spürten schon, wie der Kalte Krieg mehr und mehr wie eine Krake das öffentliche Leben erfasste. Die Bewaffnung der Bundesrepublik wurde von den Adenauer-Leuten zuerst heimlich, dann immer offener betrieben. Dann ging der Streit los um die Waffenproduktion bei der Firma Hörster. Sie stellten wieder Kriegsmaterial her. Bajonette. Wir wollten, dass der Stadtrat sich mit einer Resolution dagegen ausspricht. Eine solche Petition wurde von der KPD lanciert. CDU und SPD wollten das aber nicht. Der Streit lief aus dem Ruder. Das war die Zeit, als Rudi Leupold und sieben andere, auch ich, mit einem Mal aus der Gewerkschaft ausgeschlossen wurden. Auch Willi Engels.

So ging das damals hin und her. Ich fand Arbeit bei der Firma Abner; wurde dort Vertrauensmann der IGM. Ohne übrigens Gewerkschaftsmitglied zu sein. Der Betrieb ging Pleite. Wieder aus. Dann wurde die Luft für mich dünn. Bei der Firma Klopp fand ich dann doch noch Arbeit. Bei Kronprinz kam ich trotz meiner Qualifikation nicht an. Das hatte der Betriebsratsvorsitzende verhindert. Neben dem bekannten Kommunisten Kurt Weber wollte er nicht noch einen solchen in „seinem“ Betrieb haben. Bei Klopp wurde mir kurz vor Ende der Probezeit mitgeteilt, ich würde nicht weiterbeschäftigt.

Dann war ich für die nächste Zeit nur noch in Kleinbetrieben. Später dann fand ich Arbeit bei der Müllverbrennung, wurde dort Personalratsvorsitzender, später in den Gesamtpersonalrat gewählt. Auch die IG Metall hatte mich in der Zwischenzeit wieder aufgenommen.

Da war aber nicht nur Arbeit und Politik. Ich habe gerne getanzt. Die Gemeinschaftshilfe, die Wohlfahrtsorganisation der KPD, organisierte Unterhaltungs- und Tanzabende. Das war was für mich. Eines Abends sah ich auf der Tanzfläche eine junge Frau, die mich interessierte. Kurz und gut, es klappte. Sie wurde schon bald meine Frau Hannelore.

Erwähnen will ich noch, dass ich über 50 Jahre Naturfreunde-Mitglied bin und sechs Jahre mit Hannelore zusammen Hauswart im NF-Haus Holzerbachttal. Um das auch noch zu sagen: „Ich habe damals mit anderen Genossinnen und Genossen den Verein aus einem Dornröschen-Schlaf geholt. War 10 oder 11 Jahre Vereinsvorsitzender“.

Hier endet seine persönliche Schilderung. Er erzählt dann noch von den Stückchen, die sie so nebenbei „gedreht“ hatten. Zum Beispiel, wie sie auf den Schornsteinen der Firma Olbo und Metallwerk KPD- und FDJ-Fahnen angebracht hatten.

Rolf, Jahrgang 1925, nimmt voll am Leben teil, wenn auch die körperliche Beweglichkeit nicht mehr die der Jugend ist. Aber geistig voll fit. Wir reden noch über das Großkapital, Merkel, Putin, die gefährliche Einkreisung Russlands durch die NATO, natürlich über die eigene Partei, ihre gegenwärtige Befindlichkeit, über Stalin, über den Entenpfuhl in Solingen, über lange oder nicht lange Artikel in der UZ. Über die Einheitsfront. Auch über die Zusammenarbeit der DKP Solingen mit der Linkspartei. Der Themen waren noch viele. Doch die Gesprächszeit ging zu Ende. Wir trennten uns herzlich und verabredeten uns auf bald wieder.

Ein Resumé: Mit Rolf haben wir einen Genossen bei uns, der bereits 70 Jahr für die unauslöschbaren Ideale einer anderen, demokratischen, humanistischen, friedlichen, solidaritätsvollen Gesellschaft, eben den Sozialismus, unermüdlich gestanden hat und steht. Seine 70 Jahre Kommunist sein sind kaum, sind nicht zu toppen. Und Rolf ist ein Stück der Geschichte der Solinger Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung. Wir hoffen, dass er uns noch lange so frisch erhalten bleibt.

WH.

Am 13. November auf dem Parkfriedhof

gedenkstein
Jährlich im November finden nicht nur die offiziellen Trauerveranstaltungen statt, sondern auch unser Treffen an den Gedenkstätten für die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, die in Solingen umgekommen sind. Sie wurden aus Polen und der Sowjetunion hierher verschleppt. Sie mussten unter unmenschlichen Bedingungen für den Profit von Solinger Betrieben für den Krieg schuften.

„Unser Treffen“, das meint die DKP Solingen, die Partei Die Linke Solingen, die VVN-BdA Solingen und die SDAJ Solingen. Nach einer kurzen Ansprache legten diese Organisationen an den Gräbern Blumen nieder. Zuvor hatte auch der Oberbürgermeister Solingens an beiden Grabstätten je einen Kranz niedergelegt. Das wurden von allen sehr positiv aufgenommen, weil die beiden Grabstätten jahrlang stadtseitig vernachlässigt wurden.

Es folgt der Text der Ansprache.