Flüchtlingselend und ein Friedensnobelpreis
Was wir bisher nur in den Nachrichten gesehen und gehört haben und sich meistens in der Ferne abspielte, das erleben wir in diesen Tagen auch direkt vor unserer Haustür und unter unseren Augen: Das Elend von Flüchtlingen. Es gab eine Zeit, in der es DDR-Flüchtlinge gab, die waren gern gesehen und erwünscht als Arbeitskräfte in der BRD, als der Kapitalismus noch einigermaßen florierte. Waren sie nicht auch Wirtschaftsflüchtlinge? Jetzt steckt der Kapitalismus in einer tiefen Krise und Europa hat sich abgeschottet. Menschen aus Afrika, die fliehen, weil ihre Heimat ihnen keine Perspektive bietet, ertrinken im Mittelmeer. Sinti und Roma aus Serbien und Mazedonien sind eh nur „Armutsflüchtlinge“ ohne Aussicht auf Gewährung von Asyl. Der reaktionäre Innenminister Friedrich nennt ihre Flucht „Asylbetrug“ und will sie so schnell wie möglich wieder rausschmeißen.
Die dem Elend entfliehen wollen und hier Aufnahme suchen, sind nicht erwünscht. Sie sollen in Afrika, dem Irak und Afghanistan bleiben, bis die NATO dort Demokratie nach ihrem Bild herbeigebombt hat, oder dort, wo einheimische Oligarchen mit Hilfe westlicher Konzerne durch die Ausplünderung ihrer Länder das Leben zur Hölle machen. Es sind auch die nicht hier erwünscht, die aus den „neuen“ EU-Ländern Ost- und Südosteuropas, den Hinterhöfen und Halbkolonien der EU kommen, um hier ein würdigeres Dasein führen zu können. Sie sollen dort bleiben, um als billige Arbeitskräfte in Schwitzbuden für hiesige Konzerne zu knechten oder zu verbrennen.
Auch nach der faktischen Abschaffung des Rechts auf Asyl in der BRD zeigen der Kapitalismus und mit ihm die EU ihre menschenverachtende Fratze. Die EU, die jetzt den Friedensnobelpreis erhalten hat. Die als NATO – fast alle EU-Staaten sind Mitglied – ihre „Friedensliebe“ z. B. im Krieg gegen Jugoslawien und in Kundus bewiesen hat. Aufs Neue soll uns weisgemacht werden, wie sozial (s. Flüchtlinge) und friedensliebend (s. Jugoslawien und Kundus) dieses System ist. Die Flüchtlinge werden bald wieder verschwunden sein, wenn sie aus den erbärmlichen Notaufnahmeunterkünften herausgekommen und über das Land verteilt worden sind und ihre Asylverfahren durchleiden müssen. Ihre Würde ist antastbar. Aber eins wird bleiben und wachsen: Der Widerstand gegen die Ursachen von Krieg und Armut und Flüchtlingselend.
15.10.2012