Texte

Ansprache, gehalten am 8. Mai 2020 anläßlich der Gedenkfeier auf den Gräfrather Friedhof:

In der Nacht vom 8. auf den 9. Mai 1945 nahmen in Berlin-Karlshorst in der ehemaligen Pionierschule Sowjetmarschall Shukow und der britische Luftmarschall Tedder als Bevollmächtigte der alliierten Streitkräfte die bedingungslose militärische Kapitulation der Naziarmee entgegen.

Es war endlich erreicht. Auf den europäischen Kriegsschauplätzen schwiegen die Waffen. Es war der Tag der Befreiung, der Tag der Befreier.

Aufatmen, Freude, Jubel bei denen, die die Befreiung erlebten. Gerne erinnern wir uns an die Berichte von Peter Gingold und Hans Heisel aus Paris, von Karl Bennert, Johann Tefken und den vielen, vielen anderen. Sie hatten die Verfolgung, Haft, Folter, die ständige Gefahr überlebt.

Nicht so, die, die hier bestattet sind. Frauen und Männer aus der Sowjetunion und Polen hierher als Zwangsarbeiter verschleppt und mussten in Solinger Betrieben schuften.

Wir gedenken ihrer, stellvertretend für die vielen Millionen, die das mörderische Naziregime nicht überlebt haben.

Wir gedenken am Tag der Befreiung der Millionen Soldaten, die auf den Schlachtfeldern umgekommen sind.

Wir gedenken auch derer, die in Kriegsgefangenenlagern eingesperrt wurden und dort unter unmenschlichen Bedingungen vegetieren mussten und dort, fast alle, umgekommen sind.

Hauptfeind der Nazis und Hauptziel des Krieges war die Sowjetunion. Hitler hatte den Deutschen die ukrainischen Weizenfelder und das kaukasische Erdöl versprochen. Und Sklaven, sehr viele Sklaven.

27 Millionen Sowjetmenschen sind umgekommen, das Land wurde fast vollständig verwüstet. Allein 6 Millionen Sowjetsoldaten kamen ums Leben. Und doch konnte das Land und seine Armee die ungeheure Kraft aufbringen, dem Hitlerregime endgültig den Todesstoß zu versetzen.

Wir können mit Fug und Recht sagen, die Rote Armee hat im Kampf um die Befreiung dem Sieg der Alliierten Streitkräfte zum Durchbruch verholfen. Die Sowjetunion hat die Hauptlast getragen.

Es ist eine der großen Geschichtsfälschung dieser Tage, das zu verschweigen und zu verdrehen. So wird die Sowjetunion gar als Mitschuldige am Krieg dargestellt.

Von deutschem Boden wird wieder gegen Russland mobil gemacht und deutsche Truppe marschieren an den Ostgrenzen auf.

Die Träume vieler im Jahr 1945, jetzt könne endlich dauerhaft Frieden sein, haben sich leider nicht erfüllt. Ja, wir müssen feststellen:

Ökonomische Ursachen sind der Hintergrund dafür, dass Völker gegeneinander aufgebracht werden können. Denken wir an die „faulen Griechen“. Oder dass nach einer Umfrage 50 % der Italiener die Deutschen hassen. Dass die deutsche Exportwelle großen Unmut in der französischen Bevölkerung schafft. Es stehen reiche Wirtschaften gegen ärmere Wirtschaften, reiche gegen ärmere Länder. Handelskriege müssen wir mittlerweile ganz normal finden. Wann werden die Ungleichheiten explodieren? Wann der Nationalismus überkochen? Wann werden wieder die Waffen sprechen? Wir erkennen, wie zerbrechlich doch der Friede ist. Die kapitalistische Konkurrenz bedroht uns. Dürfen wir in diesem Licht die Mahnung des Papstes sehen: „Kapitalismus tötet?

Fazit für uns an diesem 8. Mai:

Nie wieder Krieg: Wir werben als Teil der Friedensbewegung für Abrüstung und Entspannung. Gegen atomare Aufrüstung und Anschaffung neuer Flugzeuge für den Transport von Atombomben. Deutschland muss atomwaffenfrei werden. Von Deutschland darf nur Frieden ausgehen.

Nie wieder Faschismus: Nazis und Rassisten sind auf dem Vormarsch. Faschisten morden. Antisemitismus ist wieder präsent. Wir unterstützen Bündnisse gegen Rechts mit allen, die antirassistisch und antifaschistisch, radikaldemokratisch und emanzipatorisch eingestellt sind. Wir verteidigen demokratische und soziale Rechte. Es sind viele, ganz unterschiedliche Menschen und Gruppen, die aktiv sind. Da macht Mut! Die Rechten werden nicht durchkommen.

Wir werben für Völkerverständigung, Respekt, Toleranz und Humanismus. Wir werben für die Gesellschaft ohne Krieg, Hass, Ausbeutung, eine Gesellschaft, in der Faschismus und Krieg keine Wurzeln mehr haben.

Wir unterstützen die erfreulich vielen Initiativen, den 8. Mai zum Feiertag zu machen. Unsere Freundin und Genossin Esther Bejarano hat diese hervorragende Initiative begonnen ins Leben gerufen. Danke Esther!

Dies sind Gedanken von mir zum Tag der Befreiung.

8. Mai 2020