„Wölfe mitten im Mai“

„Wölfe mitten im Mai“ –

Lieder und Texte von Franz-Josef Degenhardt,
gesungen, gelesen und kommentiert von Kai Degenhardt und Rolf Becker.

Ein emotionaler Abend liegt hinter uns. Wir danken sowohl den Künstlern, dass sie uns mutig und entschlossen erinnern und wachrütteln.
Wir danken allen Gästen, die schon durch ihre Teilnahme an diesem Konzert einen wichtigen Schritt des gemeinsamen solidarischen Handelns für grenzenlose Menschlichkeit gegangen sind.
Ein Raum, voller Menschen, die sich ein Leben abseits der brutalen kapitalistischen Gesellschaftsordnung wünschen – das macht Mut und die Welt trotz der herrschenden Kälte ein wenig wärmer.

Wir danken der Genossin, die diesen kleinen Film hergestellt hat, der uns einen so guten Eindruck vermittelt von unserer Veranstaltung.

August, der Schäfer, hat Wölfe gehört,
Wölfe mitte im Mai
– zwar nur zwei –
doch der Schäfer, der schwört,
sie hätten zusammen das Fraßlied geheult,
das aus früherer Zeit,
und er schreit,
und sein Hut ist verbeult.
Schreit: „Rasch, holt die Sensen, sonst ist es zu spät.
Schlagt sie tot, noch ehe der Hahn dreimal kräht.“
Doch wer hört schon auf einen alten Hut
und ist auf der Hut – und ist auf der Hut.

August der Schäfer, ward niemehr gesehn,
nur sein alter Hut
voller Blut
schwamm im Bach. Cirka zehn
hat dann später das Dorfhexenkind
nachts im Steinbruch entdeckt,
blutbefleckt
und die Schnauzen im Wind.
Dem Kind hat die Mutter den Mund zugehext,
hat geflüstert: „Bist still oder du verreckst.
Wer den bösen Wolf nicht vergißt, mein Kind,
bleibt immer ein Kind – bleibt immer ein Kind.“

Schon schnappten Hunde den Wind, und im Hag
rochen Rosen nach Aas.
Kein Schwein fraß.
Eulen jagten am Tag.
Hühner verscharrten die Eier im Sand,
Speck im Fang wurde weich,
aus dem Teich
krochen Karpfen an Land.
Da haben die Greise zahnlos gelacht
gezischelt: „Wir haben´s gleich gesagt.
Düngt die Felder wieder mit altem Mist,
sonst ist alles Mist – sonst ist alles Mist.“

Dann, zu Johannis, beim Feuertanz
-keiner weiß heut mehr wie-
waren sie
plötzlich da. Aus Geäst
sprangen sie in den Tanzkreis; zu schnell
bissen Bräute ins Gras,
und zu blaß
schien der Mond; aber hell,
hell brannte Feuer aus trockenem Moos,
brannte der wald bis hinunter zum Fluß.
„Kinder, spielt, vom Rauch dort wissen wir nichts
und riechen auch nichts – und riechen auch nichts.“

„Jetzt kommen Zeiten, da heißt es, heraus
mit dem Gold aus dem Mund.
Seid klug und
wühlt euch Gräben ums Haus.
Gebt eure Töchter dem rohesten Knecht,
jenem, der auch zur Not
nicht nur Brot
mit den Zähnen aufbricht.“
So sang der verschmuddelte Bauchladenmann
und pries Amulette aus Wolfszähnen an.
„Wickelt Stroh und Stacheldraht um den Hals
und haltet den Hals – und haltet den Hals.“

Was ist dann doch in den Häusern passiert?
Bisse in Balken und Bett.
Welches Fett
hat den Rauchfang verschmiert?
Wer gab den Wölfen die Kreide, das Mehl,
stäubte die Pfoten weiß?
Welcher Geiß
glich dem Ziegengebell?
Und hat sich ein siebentes Geißlein versteckt?
Wurden Wackersteine im Brunnen entdeckt?
Viele fragen, die nur einer hören will,
der stören will – der stören will.

Doch jener Knecht mit dem Wildschweingebrech
-heut ein Touristenziel-
weiß, wieviel
da geschah. Aber frech
hockt er im Käfig, frißt Blutwurst und lacht,
wenn man ihn fragt. Und nur
Schlag Null Uhr
zur Johannisnacht,
wenn von den Bergen das Feuerrad springt,
die Touristenschar fröhlich das Fraßlied singt,
beißt er wild ins Gitter und schreit: „Schluß mit dem Lied,
´s ist ein garstig Lied – ´s ist ein garstig Lied.“

August, der Schäfer, hat Wölfe gehört,
Wölfe mitten im Mai
-mehr als zwei-
doch der Schäfer, der schwört,
sie hätten zusammen das Fraßlied geheult,
das aus früherer Zeit,
und er schreit,
und sein Hut ist verbeult.
Schreit: „Rasch, holt die Sensen, sonst ist es zu spät.
Schlagt sie tot noch ehe der Hahn dreimal kräht.“
Doch wer hört schon auf einen alten Hut
und ist auf der Hut – und ist auf der Hut.

Gemeinsames Gedenken in Solingen

Am Sonntag, den 11. November ehrten wie jedes Jahr Mitglieder und Freunde der Partei die Linke und der DKP sowie der SDAJ und der VVN-Bund der AntifaschistInnen die in Solingen umgekommenen polnischen und sowjetischen ZwangsarbeiterInnen.

In einer kurzen Ansprache brachte eine Sprecherin Denken und Fühlen der Anwesenden zum Ausdruck. Hier einiges daraus:

„Wer waren diese Menschen? Wie hat man sie hierher geholt? Nachdem die großen Anwerbemaßnahmen in Frankreich, Italien, Belgien und den Niederlanden weitgehend erfolglos verlaufen waren, wurde man brutal. Denn eines hatte man aus dem 1. Weltkrieg gelernt: Soldaten und Bevölkerung müssen versorgt werden um die Moral zu erhalten, und Waffen taugen nicht zum Töten, wenn sie ohne Munition sind. So wurden bald Kriegsgefangene unter strenger Bewachung zur Arbeit gezwungen. Aber das reichte nicht aus, man brauchte mehr, vor allem um die boomende Rüstungsindustrie zu „füttern“. Zum Beispiel wurden mit Beginn des Feldzuges gegen die Sowjetunion im Sommer 1940 da Arbeitskräfte zwangsweite rekrutiert, wo man sie nicht einzeln aus ihren Häusern entführen musste. In erster Linie junge Frauen und Männer – oft Jugendliche – wurden im Rahmen von Razzien zum Beispiel bei Sport- oder Kinoveranstaltungen gruppenweise festgenommen und gleich in Eisenbahnwagen verfrachtet, um sie in tagelanger Fahrt gen Westen zu transportieren. Man stelle sich das einmal vor! Aus allen Lebensbezügen brutal heraus gerissen zu werden, verstörte Familien und Freunde hinterlassend, einem Ziel entgegen, an dem die rücksichtslose Ausbeutung der Arbeitskraft bis zur völligem Erschöpfung, Hunger und Tod einen empfangen…. Jede und jeder Einzelne von ihnen hatte ein Gesicht, Zukunftspläne, Träume….
Unser Alltag ist zum Glück nicht geprägt von Kriegsgeschehen vor der Haustür: Die Kriegsmaschinerie befeuert derzeit bewaffnete Konflikte außerhalb unseres Landes. Aber die Profiteure von Kriegen, die Rüstungsunternehmen, schmieden ihre Waffen in Deutschland. Oft sind das die gleichen Unternehmen, die schon durch die beiden Weltkriege sprunghafte Steigerung ihrer Gewinne verzeichnen konnten.
Und auch das sollten wir nie vergessen: Unser Wohlleben fußt auf der Ausbeutung, oft der physischen Zerstörung von lohnabhängig arbeitenden Menschen in aller Welt. Lasst uns da wachsamer werden, uns allen Arten von Konsum verweigern, der auf Blut, Schweiß und Tränen der ArbeiterInnen und Bauern und der Bäuerinnen basiert. Zwar finden die Massaker an ihnen nicht direkt in unserer Nachbarschaft statt, aber dennoch vor unseren Augen, denn anders als damals wird darüber berichtet in der Presse.
Vielleicht könnt Ihr die Parallele sehen zwischen heute und damals, in der Haltung der Regierungen wie auch der Industriellen gegenüber den Menschen, sowie in der Ignoranz der Massen. Die Macht, die solches bewirkt, ist das kapitalistische System, weil es Kriege braucht und weil es Ausbeutung braucht zu seinem Fortbestehen.
Aber kommen wir zurück an diesen Ort.
Wir verbeugen uns heute vor allen ZwangsarbeiterInnen, die durch das Leid der Kriegsjahre und der Jahre danach gegangen sind. Und ganz besonders vor denjenigen, die hier in Solingen umgebracht wurden und nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren konnten! Wir verbeugen uns vor ihren Familien. Wir geloben, dass wir alles tun werden was in unseren Kräften steht um alle Formen von Menschen verachtenden Praktiken zu bekämpfen.
Das verlangt, dass wir uns denen entgegenstellen, die Hass und Fremdenfeindlichkeit predigen. Dass wir über die Ursachen von Krieg und Faschismus forschen und aufklären. Und es verlangt, dass wir im Alltag hellhörig sind wenn Menschenrechte verletzt und Menschen ausgebeutet werden.
Lasst uns arbeiten für eine solidarische Welt, in der der Mensch zählt und nicht Profite um den Preis menschlichen Glücks und menschlichen Lebens!“