Am Tag vier danach – ein kleiner Bericht

Die Nachricht ließ hochgeschrecken: „Zwei Erwachsene und zwei Kinder sterben bei Brand an der Grünewalder Straße“ (TB 26.3.) Böse Ahnungen stiegen auf an Solingen 1993, an Hanau, an die NSU-Morde. Reicht unsere Kraft denn nicht, den Rechten Terror zu stoppen? Aber der Staatsanwalt beschwichtigt. Es lägen keine Anhaltspunkte vor für eine fremdenfeindliche Straftat. Und der Brandbeschleuniger?

Was geschehen ist – die Berichte schockieren. Am Tag vier nach dem Brand ein Besuch „vor Ort“. Das Grauen sieht einem an. Schwarzgebrannte leere Fensterhöhlen, in der Absperrung ein Auto. Dach eingedrückt. Ein Beschäftigter der TBS, den ich kenne, erklärt mir: Eine schwangere Frau sei aus dem Fenster gesprungen und … er zeigt auf das eingedrückte Autodach. Unglaublich. Ich habe keine Stimme. Wir berühren uns. … Danke, da brauchst Du Halt‘.

Die Atmosphäre ist ernst. Polizei und Feuerwehr sind noch da. Sachverständige. Es kommen immer wieder Menschen, jung und alt, bringen Blumen. Es ist schon ein Blumenmeer. Es gibt Inschriften. Irgendwie tröstlich.

Das, was von dem Haus noch ist, mit dem Müll im Hinterhof, der dort wohl schon lange liegt, lässt ahnen, dass das kein Komfortquartier war. Ich frage mich: ‚ So lebt sich also auch in Solingen, nicht nur in gut gehegten und gepflegten Bauvereinshäusern. Arbeiterklasse wohnt hier, vermutlich ist hier auch Armut zuhause. Da denke ich an den unerhörten Reichtum in unserem Land, an die Milliarden, die für Rüstung und Tod verpulvert werden. fühle Solidarität. Was muss da noch gesagt werden: Wir brauchen viel mehr preiswerten Wohnraum. Den Menschen müssen Angebote gemacht werden. Wohnen ist ein Menschenrecht. Wohungen statt Panzer.

Ich gehe bedrückt weg. Am Abend ist Trauerkundgebung. Der Solinger Appell hatte eingeladen. Es wird in knappen Worten an den Brandanschlag 1993 erinnert. Sie mahnen, den Behörden „auf die Finger zu sehen“. Und warnen, die Anbiederung der Parteien an rechte Losungen müsse aufhören. Im Einladungsschreiben hieß es dazu, das Klima gegen Geflüchtete und „Fremde“ sei heute ähnlich wie Anfang der 90iger Jahre. Damals: „Das Boot ist voll“. Ein kleines Musikstück wird gespielt. Eine Trauerminute ergreift. Ali spricht einige Worte in türkischer Sprache für den Volksverein.

Es kommen immer mehr Menschen. Junge und ältere. Auch die Genossinnen und Genossen sind da. Gedämpfte Stimmen. Ich sehr Tränen. Neben mir weint und klagt ein Mann laut und eindringlich mit Blick auf die leeren Fensterhöhlen. Bestimmt hat er jemand gekannt. Das geht rein. Ich gehe zur Seite. Ist schwer zu ertragen. Einer bringt Blumen und stellt zwei kleine Schocko-Osterhasen dazu. Für die toten Kinder. Ich spreche ihn an, bedanke mich. Viel kann ich nicht sagen. Die Stimme. Er zeigt mir sein Handy. Er ist Nachbar, hat alles gefilmt. Wie die Flammen aus dem Dach schlagen. Wie die Retter und Helfer kommen. Wieder – unglaublich.

Dann gehe ich weg. Traurig. Und mit Sorge. Egal, was die Ermittlungen erbringen, es ist schwer zu leben damit. Und ich will mit den anderen wachsam sein. Jedenfalls scheint es mir nicht richtig, von vorn herein einen rassistischen Anschlag auszuschließen. Wir haben Erfahrung damit, wir müssen hellwach sein. Die Wirklichkeit lässt sich nicht schön färben. Und die Rechten werden stärker. Das Klima heftiger und aggressiver. IF