Ohne uns!

Auch Jugendliche aus Solingen haben sich dem Schülerstreik am 5. Dezember angeschlossen. Ungefährt 50000 junge Menschen sollen bundesweit auf den Beinen gewesen sein bei diesen Aktionen, die sich gegen eine neue Wehrdienstpflicht richteten. Adressat war der Bundestag, wo an diesem Tag das neue Gesetz beschossen werden sollte. Dort gab es außer bei der Linkspartei keinerlei unterstützende Stimme, was nicht überrascht. Von den Grünen, einst Friedenspartei, war nichts mehr zu erwarten. So tief sind sie gesunken und sie funktionieren gut ganz im Sinne des herrschenden Systems.

Trotz frösteligem Wetter und, wie berichtet wurde, trotz Druck aus dem Schulapparat, hatten sich eine stattliche Anzahl eingefunden. Stark unterstützt vom Solinger Friedensforum. Das Tageblatt hat Meinungen eingefangen. Ein Schüler wird zitiert: „Ich finde es nicht gut, dass die Politik über meine Zukunft bestimmen will“. Ein anderer: „Warum soll ich in den Krieg ziehen, nur weil die Politiker sich nicht einigen können“. Eine Mutter: „Der Unsinn liegt hier doch auf der Hand. Niemand will, dass unsere Kinder verheizt werden“. (Zitate aus TB 5.12.25)

Der SDAJ ist zu danken, dass sie diese gelungene Protestaktion vor Ort organisiert haben. Diese sollte erst ein Anfang sein. „Wir kommen wieder“.

Mutter, wozu hast du deinen aufgezogen?
Hast dich zwanzig Jahr mit ihm gequält?
Wozu ist er dir in deinen Arm geflogen,
und du hast ihm leise was erzählt?
Bis sie ihn dir weggenommen haben.
Für den Graben, Mutter, für den Graben.

Junge, kannst du noch an Vater denken?
Vater nahm dich oft auf seinen Arm.
Und er wollt dir einen Groschen schenken,
und er spielte mit dir Räuber und Gendarm.
Bis sie ihn dir weggenommen haben.
Für den Graben, Junge, für den Graben.

Drüben die französischen Genossen
lagen dicht bei Englands Arbeitsmann.
Alle haben sie ihr Blut vergossen,
und zerschossen ruht heut Mann bei Mann.
Alte Leute, Männer, mancher Knabe
in dem einen großen Massengrabe.

Seid nicht stolz auf Orden und Geklunker!
Seid nicht stolz auf Narben und die Zeit!
In die Gräben schickten euch die Junker,
Staatswahn und der Fabrikantenneid.
Ihr wart gut genug zum Fraß für Raben,
für das Grab, Kameraden, für den Graben!

Werft die Fahnen fort!
Die Militärkapellen spielen auf zu euerm Todestanz.
Seid ihr hin: ein Kranz von Immortellen –
das ist dann der Dank des Vaterlands.

Denkt an Todesröcheln und Gestöhne.
Drüben stehen Väter, Mütter, Söhne,
schuften schwer, wie ihr, ums bißchen Leben.
Wollt ihr denen nicht die Hände geben?
Reicht die Bruderhand als schönste aller Gaben
übern Graben, Leute, übern Graben -!

Kurt Tucholsky